Kontakt

„Am liebsten hätten wir die einfach mitgenommen.“

Karsten Häse, Detlef Worscheck und Mohammed Furkan Yigit gehörten zu dem Fahrertrupp des ersten Spendenkonvois, der bereits am 1. März bis unters Dach beladen an die polnisch-ukrainische Grenze fuhr. Im Interview schildern sie ihre Eindrücke von einer NOWEDA-Tour, die sie nie wieder vergessen werden.

Mohammed Yigit berichtet, dass ihn die Nachrichten aus der Ukraine sehr getroffen haben. „Ich wollte auf jeden Fall helfen, irgendetwas tun. Da kam der Anruf, ob ich die Tour an die Grenze fahren möchte. Ich habe nicht eine Sekunde überlegt und sofort Ja gesagt.“ Dafür hat er sogar seinen Urlaub gecancelt. Auch sein Kollege Detlef Worscheck war direkt mit an Bord: „Ich wollte helfen. Und wenn die NOWEDA anruft, mache ich die Tour, ganz einfach, und ich fahre gerne weite Strecken.“ Ab 16:00 Uhr wurde beladen, um 19:00 Uhr ging’s los.

Angst hatten sie alle nicht, erst auf der Fahrt kamen erste Fragen auf, erinnert sich Cheffahrer Karsten Häse: „Ich habe mir gar keine Gedanken gemacht, mir war direkt klar, ich mache das. Nur als wir unterwegs waren und man zur Ruhe kam, habe ich mich gefragt, wie das organisatorisch alles reibungslos laufen soll und ob wir die Ware auch sicher übergeben können. Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet.“ Der Krieg war wenige Tage alt, es herrschten chaotische Zustände, zahlreiche Flüchtlinge waren unterwegs, überall wurde Hilfe benötigt. Daher war die Ansage, zunächst in Richtung Krakau zu fahren und dort weitere Instruktionen von dem kooperierenden Verein „Ukraine-Hilfe Berlin e. V.“ abzuwarten. Man befand sich im ständigen Austausch.

Schließlich kam die Info, dass der Konvoi zu der kleinen polnischen Grenzstadt Radymno fahren soll. „Hier war hinter der Grenze eine zirka einen Kilometer lange Schleuse im Niemandsland, wo wir die Ware sicher an eine Kontaktperson übergeben konnten. Hierauf mussten wir stundenlang warten, es waren sehr viele Hilfstransporter dort. Es hatte sich auch jemand angeboten, die Ware zu nehmen, damit wir wieder nach Hause fahren können, aber das haben wir abgelehnt. Wer weiß, was möglicherweise damit passiert wäre. Man kann den Leuten nur vor den Kopf gucken“, erinnert sich Häse.

An der Grenze haben die Fahrer dann hautnah miterlebt, wie zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine kamen. „Das war schlimm. Viele Kinder, viele haben geweint. Es war außerdem schrecklich kalt und die Menschen hatten fast nichts mit“, berichtet Yigit. Und Worscheck ergänzt: „Am liebsten hätten wir die einfach mitgenommen.“ Zum Glück wurden die ukrainischen Flüchtlinge direkt nach ihrer Ankunft mit dem Nötigsten versorgt. „Das ging mir schon sehr nahe, das alles zu sehen. Auf dem Rückweg habe ich mich gefragt: Ist das alles wirklich passiert? Es hat sich angefühlt wie ein Film“, erzählt Häse. Vom Krieg selber haben sie zu diesem Zeitpunkt nichts mitbekommen, das Gebiet war nicht betroffen. Ob sie so eine Tour noch mal machen würden? „Sofort“, lautet die einstimmige Antwort. „Wenn, dann sind wir bereit.“ Wenige Wochen später zeigte sich, dass diese Bereitschaft ernstgemeint war: Karsten Häse und Detlef Worscheck brachen als Fahrer eines 7,5-t-Lkw ein zweites Mal auf.