Kontakt

Die Welt retten?

Oder bewahren, was wir haben? Die Apotheken als kritische Infrastruktur schützen!

Das hätten sich die drei Koalitionsparteien SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP nicht träumen lassen. Im Bewusstsein einer soliden Mehrheit glaubten sie, jetzt Zeit und Geld genug zu haben, um ihre ehrgeizigen Pläne zur Rettung des Weltklimas umsetzen zu können. Doch am 24. Februar 2022 begann ein gnadenloser russischer Despot den Krieg in der Ukraine. „Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor“. Klare Worte von Bundeskanzler Olaf Scholz während seiner Regierungserklärung in der Sondersitzung des Bundestages am 27. Februar 2022.

Eine andere Welt – eine andere Realität. Nach der Pandemie die nächste existenzielle Herausforderung. Es vergingen nur Tage nach Beginn des Ukraine-Krieges. Da ahnte Deutschland schon etwas von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieses sinnlosen Krieges eines bösen alten Mannes. Explodierende Preise für Öl, Erdgas und Benzin in nie gesehene Höhen legten die fatale Abhängigkeit der deutschen Energiewirtschaft von russischen Öl- und Erdgaslieferungen frei. Jahrzehnte lang hatte die niemanden gestört. Doch der Westen antwortete auf Putins Krieg mit einem Wirtschaftskrieg. Und der trifft nun einmal nicht nur den russischen Aggressor, sondern auch die Länder, die bisher gute Wirtschaftsbeziehungen zu Russland pflegten. Wie Deutschland.

Das Problem wegbrechender Energieversorgung und explodierender Preise belastet Industrie, Haushalte und die gesamte Infrastruktur in Deutschland in nie dagewesenem Maße. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verhandelt daher auf der ganzen Welt mit Unternehmen und Regierungen über den Einkauf von Energie. Ganz gleich, in welcher Form. Und ganz gleich, zu welchem Preis. Doch das ist nur der Anfang. Weizen, Hafer, Gerste, Mais, Futtermittel, Sonnenblumenöle, Sonnenblumenkerne, Metalle, Autoteile – Abhängigkeiten von Lieferungen aus Russland und der Ukraine gibt es auch in vielen anderen Bereichen. Das wird nicht nur hierzulande die Lebensmittelpreise stark ansteigen lassen. Weltweite Knappheiten treiben alle Preise nach oben. Die USA melden bereits eine Inflationsrate von 8 Prozent. Auch wenn Ökonomen in Europa nur 5 Prozent Inflation erhoffen, es wäre ein ökonomisches Wunder, wenn es in Deutschland dabei bliebe.

Was also tun in einem Land, das nicht mehr gewohnt ist zu sparen? Das permanent von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Umgang mit den Ressourcen redet, sich oftmals aber nicht nur im privaten Bereich nicht darum schert? Noch ist der Schock der Bilder dieses sinnlosen Krieges so groß, dass viele Menschen hohe Benzinpreise akzeptieren würden. Und die Heizung wollen sie auch herunterdrehen. Aber zum einen ist bald Sommer, da hat das keine Bedeutung. Und zum anderen war die Regierung schnell dabei, über Entlastung des Kraftfahrzeugverkehrs mit sich reden zu lassen. Warum eigentlich? Wäre es nicht gerade jetzt an der Zeit, den Menschen in Deutschland reinen Wein einzuschenken?

Stattdessen ist – nicht ohne Zutun der Regierung – der Glaube weit verbreitet, alles ließe sich ohne Probleme finanzieren. Hundert Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr. Die finanziellen Hilfen und die Lohnfortzahlung für die von Corona hart getroffenen Unternehmen. Alleine dafür hat der Staat Schulden in Höhe von 400 Milliarden Euro aufnehmen müssen. Dann die versprochenen Steuerentlastungen. Die Zuwendungen in einen neuartigen Rentenfonds. Die staatliche Förderung von 100 000 neuen Wohnungen pro Jahr. Die steigenden Energiekosten, auch für die öffentliche Hand. Die geplanten gewaltigen Investitionen in den Klimaschutz. Demnächst die Firmen, die durch den westlichen Boykott der russischen Wirtschaft Probleme bekommen. Die Kosten für die Unterbringung hunderttausender Ukraine-Flüchtlinge. Und nicht zuletzt die hohen Defizite der Krankenkassen wegen der Corona-Pandemie.

Doch die Steuerkraft eines Landes ist endlich – wie seine Wirtschaftskraft. Deshalb wird man wohl oder übel abwägen müssen. Alles gleichzeitig geht nicht. Welche Ausgaben sind wirklich unverzichtbar? Offensichtlich steht das Herunterdrücken der Benzinpreise aus Steuermitteln ganz oben auf der Liste der „alternativlosen“ Ausgaben des Staates. Warum? Nur damit wir „Logistik-Weltmeister“ bleiben, wie es einmal in einem Wahlprogramm der CDU hieß? „Logistik-Weltmeister“ mit tausenden maroden Brücken? 2 500 von ihnen müssten laut einer Analyse der neuen Autobahn GmbH des Bundes sofort saniert oder erneuert werden. Noch ein zusätzliches Milliardenprogramm also.

Überhaupt – der Krieg mitten in Europa. Müssen wir uns hinsichtlich unserer eigenen Lage nicht auch Gedanken machen?Was wäre, wenn Undenkbares tatsächlich passieren würde? Funktioniert die Infrastruktur? Das fängt bei Sirenen an, die heulen können müssen – wenn sie denn überhaupt noch da sind. Das geht weiter über digitale Handynetze, die schon in Friedenszeiten oft gestört sind und nicht flächendeckend funktionieren. Und wie steht es um notwendige Ausrüstungen wie Zelte, Betten, Decken, Lazarette, Blutkonserven, Notstromaggregate? Alles ausreichend vorhanden? Oder müssten auch in den Katastrophenschutz eigentlich Milliarden investiert werden? Nur zur Erinnerung – zu Beginn der Corona-Pandemie hatten wir nichts, keine Masken, keine Handschuhe, keine Schutzkleidung.

Diese Regierung wird also Prioritäten setzen müssen. Wo soll, wo kann sie zurückstecken? Und wo ist sie ihren Wählerschichten so im Wort, dass es sie hinwegfegen würde, wenn Versprochenes gestrichen würde? Das kann auf Fragen hinauslaufen wie diese: Was ist wichtiger – das Klima retten oder die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sichern? Lauterbachs Gesundheitsministerium ist wohl der Meinung, die Sicherung der Gesundheitsversorgung sei nicht so wichtig. Sie bastelte schon vor Wochen an einem Spargesetz im Gesundheitswesen. Das würde insbesondere die Apotheken und die Pharmaindustrie treffen. Und damit die kritische Infrastruktur des Landes schwächen. Wieder einmal. Schon vergessen die finanziellen Verluste der Arzneimittelhersteller auf Grund des Preisdrucks der Krankenkassen? Die trieben die Unternehmen nach Fernost. Schon vergessen der Lieferstopp aus den chinesischen Produktionsbetrieben für Grundstoffe und Arzneimittel? Schon vergessen der Schwur, man wolle die Fertigung von Medikamenten zurückholen nach Europa, koste es, was da wolle? Soll Biontech mit der Produktion seines Impfstoffes gegen Covid19 etwa jetzt auch abwandern? Das wäre ein Schildbürgerstreich.

 Besonders hart soll es nach den ersten Überlegungen des Ministeriums wieder einmal die Apotheken treffen. Kennt Lauterbach den dramatischen Rückgang der Zahl der Apotheken in den letzten zehn Jahren nicht? Hat er die Tatsache vergessen, dass Jahr für Jahr dreihundert Apotheken schließen müssen, weil die Erträge nicht mehr die Kosten decken? Verdrängt er das Wissen um die Konkurrenz der großen Arzneiversandkonzerne von jenseits der Grenzen, die mit ihren Werbemillionen den Apotheken die Packungen wegsaugen? Es war eine SPD-Ministerin, die das zustande gebracht hat. Will auch Lauterbach – wie seine Vorgänger im Ministeramt – tatenlos hinnehmen, dass die Akutversorgung der Bevölkerung durch die Apotheken immer mehr ausgedünnt wird? Nach Lauterbachs eigenen Worten ist die Pandemie noch nicht vorbei. Die Apotheken waren und sind wesentlicher Anlaufpunkt und stabilisierender Faktor im Kampf gegen Corona. Ist das schon jetzt nichts mehr wert?

Noch haben wir sie in Deutschland – die solide kritische Infrastruktur aus Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken. Aber von allen Seiten wird daran gearbeitet, sie auszudünnen. Gab es 1990 in unserem Land noch 2 400 Kliniken, waren es im Jahre 2019 nur noch 1 914. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Krankenhausbetten von 660 000 auf 494 000. 166 000 Betten – einfach weg. Selbst im Coronajahr 2020 wurden noch einmal 7 400 Betten abgebaut. Es sind nicht nur die kleineren Krankenhäuser in der Fläche, die Jahr für Jahr still vor sich hinsterben. Und deren Schließungen im Katastrophenfall die Wege zu klinischer Versorgung immer länger machen. Es sind auch Abteilungen in größeren Häusern, die sich angeblich nicht rechnen. Da ist man ganz schnell mit dem Schließen. Bei einem ins Monströse aufgeblähten Bundestag eher nicht.

Diese Regierung hat sich viel vorgenommen. Besonders im Klimaschutz. Das kostet viel Geld. Hinzu kommen hunderte Milliarden Euro Schulden, für die sie nichts kann. Aber der Ukraine-Krieg ist teuer. Jetzt muss der Staat irgendwo sparen. Beim Sparen kann er manchen Fehler machen. Aber eine Schwächung der kritischen Infrastruktur ist der dümmste.

Bewahren, was wir haben. Was wir kriegen, wissen wir nicht.