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Jeden Tag eine Apotheke dicht - für immer

Als hätten wir nicht schon genug Risiken zu tragen!  Gegen manche kann man ja etwas tun. Andere sind naturgewaltig. Ein Tornado ist unberechenbar. Aber gegen Corona und Affenpocken kann man sich impfen lassen. Doch wie ist es mit dem Risiko, dass morgen ein Windrad – doppelt so hoch wie der Kölner Dom – vor so mancher Haustür steht?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – so gut er sich in seinem Amt auch schlägt –  ist keine Naturgewalt.  Aber der grüne Politiker will die Bundesländer zwingen, zwei Prozent ihrer Fläche für alternative Energien wie Windkraft und Solarstrom zur Verfügung zu stellen. Dafür will er Abstandsregeln zur Wohnbebauung aufweichen, den Artenschutz kassieren, Naturschutzgebiete für Windräder freigeben, die Einspruchsrechte der Bürger beschneiden. Alles, wofür seine Partei Jahrzehnte lang gekämpft hat. Doch Habeck zeigt, was selbst ein einzelner Politiker bewirken kann, wenn er nur will.

Ist so ein Politiker irgendwo am Horizont des Gesundheitswesens zu sehen? Einer, der sich trotz Zuständigkeit der Bundesländer einklinkt in deren Pläne, ungerührt ein öffentliches Krankenhaus nach dem anderen dicht zu machen oder zu privatisieren? Einer, der sich für die wohnortnahe Akutversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, Beratung  und Betreuung einsetzt? Und gegen die Unersättlichkeit der Arzneiversandkonzerne von jenseits der Grenzen?  Einer, der den Kampf gegen das Apothekensterben ernsthaft betreibt? Einer, der uns das Risiko nimmt, morgen keine Apotheke mehr in erreichbarer Nähe zu haben?

Den Willen, sich ernsthaft um die Problematik des Apothekensterbens zu kümmern, hatte in den letzten beiden Jahrzehnten noch kein Gesundheitsminister. Und kein Gesundheitspolitiker, von welcher Partei auch immer. Über ein paar vage Versprechungen in den Wahlprogrammen hinaus gab es nichts, worauf die Apotheken sich verlassen konnten. Und als endlich mit Jens Spahn ein durchsetzungsstarker Gesundheitsminister auf der politischen Bühne erschien, kümmerte der sich mehr um das Wohlergehen der ausländischen Versandhandelskonzerne als um die Stärkung des inländischen Apothekenmarktes.

Jetzt haben wir Lauterbach – präsent und eloquent. Aber auch durchsetzungsstark? Bisher fiel der Bundesgesundheitsminister jedenfalls nicht als energischer Verteidiger einer intakten flächendeckenden Apothekenstruktur auf – im Gegenteil.  Die ersten Vorschläge aus seinem Gesundheitsministerium zu einer Reform im Gesundheitswesen liefen auf eine zusätzliche finanzielle Belastung der Apotheken hinaus. Das ist alles andere als zielführend, wenn man eine gesunde Apothekenlandschaft als unerlässlich für eine sichere Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ansieht.

Fast unbemerkt rückt zudem eine weitere Gefahr für den Bestand an akutversorgenden Vor-Ort-Apotheken näher. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will möglichst schnell das elektronische Rezept – kurz E-Rezept genannt – einführen. Das soll Vorteile für Ärzte, Apotheken, Kassen und Patienten bringen. Ab 1. September werden alle Apotheken elektronische Rezepte empfangen, verarbeiten und mit den Krankenkassen abrechnen können. In den Arztpraxen sieht es anders aus. Da hinkt die Aufrüstung der Computer noch weit hinterher. Deshalb wird die Einführung des elektronischen Rezepts auch in mehreren Etappen vor sich gehen. In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe zuerst.

Doch wie lange sich eine flächendeckende Nutzung des E-Rezeptes in allen Bundesländern auch hinziehen wird – gleich zu Beginn stellt sich die Frage, wohin die elektronischen Rezepte laufen. Und da stehen die großen ausländischen Arzneiversandkonzerne schon nervös in den Startlöchern. Auf diesen Moment haben sie gewartet. Dafür haben sie gearbeitet.  Schließlich haben sie ja erreicht, dass kein deutscher Gesundheitsminister es für opportun hielt, ein rechtlich mögliches Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel auf den Weg zu bringen. Nur ein solches Gesetz hätte den Trend der Apothekenschließungen stoppen können. Doch das ist der Schnee von gestern.

Heute geht es für die Konzerne darum, möglichst viel vom elektronischen Rezeptstrom in  ihre Computer zu lenken. Sie werden auch damit keine Gewinne machen. Aber es bringt wieder Phantasie ins verlustbringende Versandgeschäft. Und nur die sorgt für frisches Geld von Investoren. Denn immer noch ist die Hoffnung groß, etwas von den investierten Millionen wiederzusehen. Und wenn es beim Verkauf des ganzen Ladens – zum Beispiel an Amazon –  ist. Womit dann ein noch größeres, noch potenteres Unternehmen, sozusagen der Megastar unter den weltweiten Versandhändlern, den deutschen Apotheken im Nacken säße.

Die Gesundheitspolitiker sehen die Gefahr nicht. Oder wollen sie nicht sehen. Wie dumm ist das denn?