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Land der Reichen

In den sozialen Netzwerken kursiert ein nachdenklich machender Video-Schnipsel. Da sitzt die grüne Außenministerin Annalena Baerbock inmitten einer Kinderschar und erklärt den Kleinen, wie sie sich die Rettung des Klimas vorstellt. Dass sie will, dass die Leute in zehn Jahren nur noch neue Autos fahren, die sauber sind. „Also, Reiche können soviel Auto fahren, soviel sie wollen?“, fragt ein kleiner Zuhörer. Kurzes Stocken, dann Baerbock: „Ja, und Arme können auch soviel Auto fahren, wie sie wollen....“. „Aber die haben ja nicht soviel Geld“, meint der Junge. „Das stimmt“, muss Baerbock zugeben. „Also, so gerecht ist das jetzt nicht so“, meint der Kleine nachdenklich. Darauf Baerbock: „Findest Du nicht?“. Kurze Antwort: „Nee.“

Ein Kind muss einer Politikerin erklären, was gerecht ist? Und dass die Armen nicht soviel Geld haben, um saubere E-Autos zu kaufen? Das weiß Frau Baerbock sicher selbst. Aber ehrliche Antworten wären verstörend gewesen. Hätte sie sagen sollen, dass es im Sinne der Klimarettung sinnvoll ist, dass möglichst viele Leute kein Auto mehr fahren? Auch wenn es sich dabei um den finanziell schwächeren Teil der Bevölkerung handelt?

Immerhin – keine Autos, keine klimaschädlichen Abgase, keine neuen Straßen. Dafür mehr öffentlicher Nah- und Fernverkehr? Durchaus wünschenswert. Aber hätte Baerbock dann nicht auch erwähnen müssen, dass die Bundesbahn auf Jahrzehnte hinaus eine unpünktliche und teure Baustelle bleiben wird? Und dass es auch Gefahren beim Umstieg auf Elektromobilität gibt? Dass weniger Autos auch Arbeitsplatzverluste bedeuten? Dass China längst den weltweiten Markt der Batterien für E-Autos kontrolliert? Und dass wir uns nach den dramatischen Lieferengpässen bei Arzneimitteln jetzt eigentlich keine weitere Abhängigkeit von China leisten können? Noch ein schmerzhaftes Erwachen muss nicht sein.

Ein schmerzhaftes Erwachen hat Robert Habeck (Grüne), Bundesminister für Wirtschaft und Klima, zuletzt allerdings auch zahlreichen Eigenheimbesitzern beschert. Er überraschte mit seinen Plänen zur Abschaffung aller Öl- und Gasheizungen bis zum Jahr 2045. Schon ab 2024 sollten sie nicht mehr neu eingebaut werden. Stattdessen der massenhafte Umstieg auf Wärmepumpen. Doch für einen so gewaltigen technologischen Umbau der Heizungssysteme in ganz Deutschland gibt es keine Infrastruktur. Geht das überhaupt mit den Wärmepumpen an jedem Mietshaus, an jedem Eigenheim? Wo sollen tausende Spezialisten und Techniker für Montage und Umbau herkommen? Woher die Wärmepumpen für die zwanzig Millionen Gebäude in Deutschland? Etwa auch aus China?

Und auch hier die Frage: Können das alle Betroffenen finanzieren? Wenn die Nachfrage nach Wärmepumpen dramatisch steigt, steigen auch die Preise dramatisch. Die einen haben kein Problem damit, einen Umstieg von ihrer Öl- oder Gasheizung auf ein Wärmepumpensystem zu stemmen. Und die anderen? Wie viele Besitzer von Einfamilienhäusern müssen dafür ihre Ersparnisse angreifen, die sie sich vielleicht für später zurückgelegt haben? Wie viele werden Schulden machen müssen? Wie viele werden den Umstieg gar nicht bezahlen können? „Also, so gerecht ist das jetzt nicht so", meinte oben der kleine Kritiker an die Adresse der Außenministerin. Was bei E-Autos passt, passt auch hier.

Natürlich wird der Staat Zuschüsse geben. Aber er will und muss auch hunderte Milliarden Euro geben für die Ausrüstung der Bundeswehr, für die Ukrainehilfe, für dringend notwendige Bildungsausgaben, für die Kindergrundsicherung, für tausend Brückensanierungen, für den Wohnungsbau, für die Unterstützung der Kommunen, für den ökologischen Umbau zur Rettung des Weltklimas. Nichts davon ist überflüssig.

Erst recht nicht überflüssig sind die Ausgaben des Staates für das Gesundheitswesen. Immer noch steht die Gesundheit an oberster Stelle aller Wünsche der Bevölkerung. Und so kommen auch hier milliardenschwere Belastungen auf den Staat zu. Denn zwei Drittel aller Krankenhäuser machen Verluste. Jedes fünfte Pflegeheim schreibt rote Zahlen und es gibt zu wenige Pflegekräfte. Die vorhandenen fühlen sich überlastet und unterbezahlt. Überall muss viel geschehen. 3.500 für immer geschlossene Apotheken zeugen ebenfalls von fehlender Rendite. Denn seit zehn Jahren ist keine Erhöhung der staatlich festgelegten Marge erfolgt. Aber das Apothekensterben darf nicht so weitergehen wenn wir auch zukünftig eine gute Arzneimittelversorgung wollen – für jeden Mensch in diesem Land.

Wo also sparen? Wo verzichten?