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Alarmstufe ROT

„Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie Aktien kaufen, und frech, weil sie dann noch Dividende haben wollen“. Ein Bonmot des berühmten Berliner Bankiers Carl Fürstenberg aus dem vorvorigen Jahrhundert über Kleinaktionäre. Doch nicht alle Aktionäre sind scharf auf Dividende. Zumindest die der großen ausländischen Arzneimittelversandkonzerne nicht. Eine lange Reihe von Verlustjahren? Abhaken. Das Versprechen, die Gewinne kämen demnächst an? Glauben.

Wem das als Aktionär gefällt, der ist dort gut aufgehoben. Gewinn spielt keine Rolle. Aber der Umsatz muss steigen. Das treibt den Aktienkurs. Das Geschäftsmodell  – „heute im Minus, morgen im Plus“ – funktioniert sonst nicht mehr. Arzneimittelumsatz aber kann nur  den deutschen Apotheken abgejagt werden. Das hat in der Vergangenheit tadellos funktioniert. Nicht zuletzt, weil die ausländischen Konzerne bei ihrer atemlosen Jagd nach Arzneimittelpackungen willige Helfer hatten – die Gesundheitsminister der letzten zwanzig Jahre.

Ob Ulla Schmidt (SPD), Philipp Rösler (FDP), Daniel Bahr (FDP), Hermann Gröhe (CDU), Jens Spahn (CDU), oder Karl Lauterbach (SPD). Sie alle sahen dem Aufstieg des ausländischen Versandhandels mit Wohlwollen, dem Sterben der deutschen Apotheken indes mit Tatenlosigkeit zu. Das Ergebnis – katastrophal. Die Apothekenzahl sank in diesem Zeitraum dramatisch. Von 21.476 blieben Ende 2024 nur 17.041 übrig. Und das ist nicht das Ende. Im Gegenteil. 2024 mussten zum ersten mal über 500 Apotheken schließen. Weitere 500 wohl auch in diesem Jahr. Und kein Boden in Sicht. Also ungebremst in den Versorgungsnotstand?

Fest steht, dass sich durch das Wegschauen und Wegducken der Gesundheitspolitik die Strukturen längst verfestigt haben. DieArzneiversandkonzerne mit Sitz in Holland können ihre Werbemillionen ungehindert über der deutschen Patientenlandschaft ausschütten. Und nun auch Rezept-Umsatz schlürfen. Showgrößen wie Günther Jauch leisten dabei wertvolle Hilfe. Wenn man ihm, einem der intelligentesten Fernsehprominenten, nicht klarmachen kann, dass das Ende der Apotheken auch das Ende einer gesicherten Arzneimittelversorgung bedeutet, wem dann? Soll man ihn dafür schelten? Die Verantwortung tragen alleine Minister und Regierungen.

Doch was treibt Gesundheitsminister dazu, so beharrlich ihren Job zu verleugnen?  Sicher – sie sind für viele Problemfelder verantwortlich. Und Geld ist auch nie da. Jedenfalls nicht für das Gesundheitswesen. Doch die Sicherung der flächendeckenden und umfassenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben eines Gesundheitsministers. Millionen Patienten vertrauen jeden Tag darauf. Und treffen auf immer weniger Apotheken. Und in den Apotheken auf immer dramatischere Engpässe bei gängigen Arzneimitteln. Deutschland wurde auch bei der Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten international zunehmend abgehängt. Unter den Augen von Spahn, Lauterbach und Co.

Aber machen wir uns nichts vor. Politisch scheint das Sterben von tausenden und abertausenden Apotheken gewollt zu sein. Im naiven Glauben, wenn der Umsatz der geschlossenen Apotheken den noch offenen Apotheken zufließt, wird es schon irgendwie weitergehen. Der Patient spielt in diesem leichtsinnigen Konzept einer Ausdünnung der Apothekenlandschaft keine Rolle. Schon gar nicht die gesellschaftliche Bedeutung der Apotheke als mittelständischer Ankerpunkt in sterbenden Innenstädten.

Bundesgesundheitsministerin ist jetzt Nina Warken (CDU). Es liegt an ihr, sich des Problems der überlebenden Apotheken vorrangig anzunehmen. Sie wird eine schnelle Entscheidung treffen müssen. Jeden Monat sterben 40 Apotheken. Die ersten 250 haben bis Mitte des Jahres schon dicht gemacht. Wenn nichts geschieht, werden innerhalb ihrer Amtszeit weitere 2.000 Apotheken schließen. Das ist nicht übertrieben. Auch nach dem Aderlass von 4.000 Apotheken in den letzten zwei Jahrzehnten steht immer noch jede vierte Apotheke tendenziell vor dem Aus. Es sei denn, Bundesgesundheitsministerin Warken setzt die seit über zehn Jahren bewusst verschleppte Anpassung der staatlich festgesetzten Apothekenvergütung endlich durch. Nur das könnte den verhängnisvollen Trend stoppen.   

Hatte der Koalitionsvertrag den Apotheken Mut gemacht? Ja. Wie so vielen Wählern. Allerdings ist deren Enttäuschung über die Politik inzwischen groß. Der Chef im Ausland und daheim die Mäuse auf dem Tisch.

Der Countdown läuft.