Das Gesundheitswesen. Gelobt und beschimpft. Bewundert und bekämpft. Je nachdem, auf welcher Seite man steht. Als Patient, als Beitragszahler, als Arbeitgeber, als Krankenhausmanager, als Gesundheitspolitiker, als Krankenkasse, als Arzneimittelhersteller, als Arzt, als Apotheker. Ein fast unübersehbares Chaos an Gesetzen und Verordnungen, an Interessen und Wünschen, an Notwendigkeiten und Enttäuschungen. Und es geht immer ums Geld. Gesundheit kostet eben.
Es ist eine alte Geschichte. 1883 erließ Reichskanzler Otto von Bismarck ein Gesetz zur Krankenversicherung der Arbeiter. In den 140 Jahren seither immer wieder erweitert, ergänzt und verbessert. Heute bieten die 95 Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung mehr als 74 Millionen Menschen Schutz und Hilfe bei Krankheit. Die privaten Krankenversicherer betreuen noch einmal 9 Millionen. Eine Leistung, um die uns viele Länder beneiden.
Der Staat organisiert die Rahmenbedingungen. Das Geld dafür bekommt er zwar von den Bürgern und den Arbeitgebern. In Form von Steuern oder Beiträgen. Doch der Staat hat die Macht über die Ausgaben. Die nutzt er mal mehr, mal weniger effektiv. Nach dem zweiten Weltkrieg lag auch das Gesundheitswesen in Trümmern. Der Staat sorgte dafür, dass alles wieder aufgebaut wurde. Schöner und besser als zuvor. Jede Stadt sollte ihr Krankenhaus haben. Auch Arztpraxen und Apotheken waren schnell wieder die wichtigsten Anlaufpunkte kranker Menschen. Vier Jahrzehnte lang lief alles auf eine perfekte Versorgung der Patienten hin.
Irgendwann in den Neunzigern war der Zenit überschritten. Das Geld reichte nicht mehr. Es sprudelte zwar wie nie zuvor, weil die deutsche Wirtschaft boomte. Aber die Zeiten des Aufbaus und des Ausbaus des Gesundheitswesens waren vorbei. Das Geld wurde anderswo gebraucht. Oder verbraucht. Die Uhren liefen wieder rückwärts. 1991 zählte man noch 2.400 Krankenhäuser. Ende 2023 waren es nur noch 1.874. Jetzt droht ein weiteres Kliniksterben. Denn die alte Regierung hat zuletzt noch die Lauterbach‘sche Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Deren Ziel: Konzentration vieler Behandlungsformen auf größere Häuser. Kleineren Kliniken wird die Behandlung untersagt. Manche werden nicht überleben.
Dem deutschen Apothekenwesen ging es nicht besser. Aus einer guten flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimittelnwurdeim Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre immer mehr ein Flickenteppich. Gab es im Jahre 2000 noch rund 21.600 Apotheken, stürzte die Zahl bis heute auf nur noch 17.000 ab. Bisher wurden also 4.600 Apothekenbetriebe vom Staat ins Aus getrieben. Der Grund auch hier – kein Geld. Kein Geld für die hoheitliche Aufgabe der Apotheke, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung wohnortnah dauerhaft sicherzustellen.
Im Gegenteil – der Staat nimmt den Apotheken seit mehr als zwei Jahrzehnten sogar Geld weg. Indem er sie zugunsten der Gesetzlichen Krankenkassen mit einem dauerhaften „Zwangsrabatt“ auf alle rezeptpflichtigen Arzneimittel belastet.Mit diesem staatlich verordneten „Rabatt“ von mehr als 1,2 Milliarden Euro im Jahr stopft der Staat andere Löcher. Und nimmt dabei das Aus von tausenden Apotheken in Kauf. Und den Tod kritischer Infrastruktur. So wie in der DDR die Infrastruktur verkam – die Bundesrepublik machte es nicht besser. Es blieb nur länger verborgen. Doch jetzt ist es überall sichtbar. Bei den Strassen, den Brücken, den Schienennetzen, den Schulen, den Sportstätten, den Schwimmbädern, den Krankenhäusern, den Apotheken.
Sicher – gegenüber den Kosten für die Schienennetze sind sterbende Apotheken für die Politik ein geringeres Problem. Und doch – wer soll für die Menschen in einer immer älter werdenden Gesellschaft da sein, ihre gesundheitlichen und pharmazeutischen Probleme lösen? Sie beraten, ihnen zuhören, ihnen helfen, sie trösten? Etwa der Versandhandel? Gutscheine und Unternehmensverluste schaffen keinen gesellschaftlichen Mehrwert. Oder die Drogeriemärkte? Sicher, es gibt tausende, aber die können auch schnell verschwinden. Schlecker, Ihr Platz, drospa – Namen, von denen niemand mehr spricht. Die letzte Entscheidung wird der Patient treffen. Und er wird sich klug für die Apotheke vor Ort entscheiden. Er kennt das Team. Er weiß, was er an seiner Apotheke hat. Auch wenn die Wege weiter werden.
Im übrigen werden auch wieder bessere Zeiten kommen. Bessere Gesundheitsminister. Eine bessere Regierung. Ob es die nächste sein wird – es ist zu hoffen.