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Arzt oder Fragebogen

„Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“. Ein deutscher Philosoph – Arthur Schopenhauer – soll das gesagt haben. Vor zweihundert Jahren. Eine Erkenntnis – so zeitlos wie der Wunsch jedes Menschen, möglichst gesund zu bleiben. Wer gesund ist, braucht allerdings keinen Arzt, kein Krankenhaus, keine Apotheke und keine Medikamente. Für gesunde Politiker sind Ausgaben für Gesundheit daher „Kostenblöcke“. Die gilt es klein zu halten. „Sparen um jeden Preis“, ist die Devise im Gesundheitswesen.

Wenn die Gesundheitspolitik mit dem Rotstift regiert, schlägt die Stunde der Geschäftemacher. Denn Sparen bedeutet auch – die Augen schließen, wenn sich Sumpfblüten entwickeln. Zumeist außerhalb der Landesgrenzen. Auf jeden Fall aber außerhalb der Legalität. Auch wenn dabei gegen geltendes Recht verstoßen wird. Auch wenn Arzneimittelmissbrauch gefördert wird. Auch wenn mit ungültigen Rezepten in großem Umfang verschreibungspflichtige Medikamente erschlichen werden.

Das Internet macht es möglich. Seit Deutschland seinen Drang zum Bestellen per Click auslebt, hat es schon viel verändert. Nicht unbedingt zum Guten. Sterbende Innenstädte mit zugeklebten Schaufensterscheiben. Ganze Landstriche und Gemeinden ohne akutversorgende Apotheken. Millionen Belieferungskilometer und Megatonnen an Verpackungsmüll. Aber bequem für den Verbraucher. Das reicht der Politik als Nachweis, dem Fortschritt nicht im Weg zu stehen.

Auf den Plattformen im Internet bestellt der Verbraucher konkrete Produkte. Doch zunehmend verlagern sich auch Dienstleistungen ins Netz.Wer hätte vor Jahren daran gedacht, einen Arzt per Bildschirm zu kontaktieren? Doch draußen auf dem Lande sterben nicht nur die Apotheken, sondern auch die Arztpraxen. Das hat die Gesundheitspolitik erkannt und Gesetze erlassen, wie eine solche „Fernbehandlung“ abzulaufen hat. Insbesondere wenn der Anrufer ein rezeptpflichtiges Medikament braucht. Dann darfdie Kommunikation nicht anonym sein. Ein Arzt muss persönlich am Bildschirm mit dem Patienten kommunizieren.

Eine solche persönliche Kommunikation ist teuer. Wie viele Ärzte sollen denn da am anderen Ende der Leitung auf Patientenanrufe warten? Fünfzig? Hundert? Auf jeden Fall zu viele. Es geht auch billiger. Man gründe ein Unternehmen mit Sitz im Ausland, erstelle eine beeindruckende Website, sorge mit Bildern promovierter Ärztinnen als „Medizinische Autorinnen“ für Seriosität und konzentriere die Werbung auf Reizthemen wie Erektionsstörungen, Abnehmspritzen und Verhütung. Dann warte man auf ausgefüllte Fragebögen von Verbrauchern und Patienten. Fragebögen?

Ja, Fragebögen, die der Kunde online ausfüllt. Mit ein paar persönlichen Fragen zur Gesundheit. Im gleichen Formular dann aber auch mit der Bestellmöglichkeit für jedes rezeptpflichtige Medikament. Ohne einen Arzt oder eine Ärztin am Bildschirm auch nur gesehen oder gesprochen zu haben. Zuletzt muss man noch über den Lieferweg entscheiden. Ein Klick – und schon befindet sich der Kunde im illegalen Raum. Die Rezepte sind ungültig. Aber bezahlen muss man sofort.

Nun kann einem das mit dem illegalen Raum ja eigentlich egal sein. Das Geld ist weg. Das gewünschte Medikament hoffentlich auf dem Weg. Es ist doch angenehm, so unkompliziert ohne Arzt an sein Medikament zu kommen. Besonders wenn man im Radsport aktiv ist. Da lässt sich per Fragebogen einfach und schnell auch Asthma-Spray besorgen. Ein beliebtes Dopingmittel. Doch Missbrauchspotential haben noch viele andere Medikamente. Die Zahlen zeigen, dass es genügend Interessenten gibt. Alles per Fragebogen. Ohne Arzt.

Der seriöse Patient sollte sich auf dieses Spiel nicht einlassen. Und Apotheken nicht dabei mitmachen, falls sie als Vertriebsweg gewünscht werden. Ein Rezept, das illegal zustande gekommen ist, darf wohl keine Krankenkasse bezahlen. Schließlich handelt es sich beim Geld der Kassen um Steuern und um Beiträge der Versicherten. Die dürfen nicht in illegalen Kanälen im Ausland versickern.

Aber auch der Staat darf nicht mitspielen. Er hat ein Gesetz erlassen für die „Fernbehandlung“ Danach muss die Kommunikation zwischen Arzt und Patient per Bildschirm persönlich sein. Und nicht anonym. Jetzt muss er auch dafür sorgen, dass es eingehalten wird. Rezepte gehören in die Kompetenz des Arztes. Und nicht eines Fragebogens.