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Die Ruhe vor dem Ruck

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6. Mai 2025. Ein Dienstag. Und ein ziemliches Durcheinander im Deutschen Bundestag. Achtzehn Abgeordnete verpassen im ersten Wahlgang dem designierten Bundeskanzler Friedrich Merz einen Denkzettel . Warum auch immer.  Das Ergebnis war sicher nicht gewollt. Aber wenn jeder denkt, er sei der einzige, der es Merz oder Klingbeil heimzahlen will, kann so etwas  passieren. Im zweiten Wahlgang dann doch volle Loyalität. Merz wird zum Bundeskanzler gewählt. Geht doch. Aber ein gefundenes Fressen für die Medien. Sie machen aus dem „Denkzettel“ ein „Desaster“. Gar ein „historisches Debakel“. Vorbei und vergessen.

Dann also die neue Regierung. Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Ministerinnen und Minister haben sich gleich an die Arbeit gemacht. Nicht lautlos. Die meisten haben sofort um mediale Aufmerksamkeit gekämpft. Schließlich sollen und wollen sie Deutschland reformieren. Die lahmende Wirtschaft muss wieder laufen lernen. Die Bundeswehr wieder das Land verteidigen können. Und dann die drängenden Probleme in den Bereichen Rente, Wohnungsbau, Verkehr, Infrastruktur, Migration, Pflege und Gesundheit. Überall ist Eile geboten.

Nina Warken (CDU), die neue Bundesgesundheitsministerin, hat kein leichtes Erbe angetreten. Gleich zu Beginn ihrer Amtstätigkeit musste sie die Beinahe-Pleite der Gesetzlichen Krankenversicherung abwenden. Zu hohe Ausgaben, zu geringe Einnahmen. 800 Millionen Euro Liqiditätshilfe machte sie beim Finanzminister locker. Es wird in diesem Jahr wohl nicht das letzte Mal sein.  Erst recht, wenn die Beschlüsse, Vorsätze und Vereinbarungen auf den entscheidenden acht Seiten im Koalitionsvertrag Wahrheit werden sollen. Was finanziell geht, und was nicht, wird sich zeigen. Gute Aussichten hat alles, was nichts kostet. Oder was zu Lasten Dritter geht.

Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken –  was steht im Koalitionsvertrag? Die gerade beschlossene Krankenhausreform soll schnell reformiert werden.Jetzt ist auch klar – am Grundprinzip der Reform ändert sich nichts. Mehr Qualität, weniger Kliniken. Es bleibt bei der Schließung vieler Fachabteilungen und Stationen und der Konzentration der meisten Operationen auf größere Krankenhäuser. Höhere Fallzahlen bei gleichem Personal aber führen zu Stau. Kleinere Häuser – heute noch funktionierende Kliniken – werden nicht überleben. Das passt kaum zur neuen Verteidigungsfähigkeit des Landes. Und was werden die Patienten von längeren Wartezeiten für eine OP halten?

Das genaue Gegenteil verspricht der Koalitionsvertrag im ambulanten Bereich. Patienten klagen hier über endlose Wartezeiten auf einen Facharzttermin. Der Koalitionsvertrag will eine schnellere Terminvergabe erreichen. Können die Ärzte das nicht organisieren, will man den Patienten einen Facharztzugang ambulant im Krankenhaus ermöglichen. Von Wartezeiten dort ist keine Rede.

Wie steht der Koalitionsvertrag zum Apothekensterben? Immerhin hat sich noch jeder Gesundheitsminister in den letzten fünfzehn Jahren geweigert, das tausendfache Ende von Apotheken in Stadt und Land als Gefahr für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu begreifen. Dabei sank die Zahl der Vor-Ort-Apotheken in dieser Zeit von 21.441 auf nur noch 17.041. Bis jetzt also schon 20 % aller Apotheken für immer dicht. Und es geht weiter. Im Koalitionsvertrag hat man sich deshalb auf vielversprechendeVereinbarungen zur Sicherung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch die Vor-Ort-Apotheken geeinigt. Endlich ein positives Signal.

Dabei müssen Reformen nicht immer Geld kosten. „Auch vereinheitlichen wir die Vorgaben für Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken (…), verspricht der Koalitionsvertrag. Hintergrund ist, dass es schon seit Jahren an ausreichenden Rechtsgrundlagen fehlt, um die von ausländischen Versendern verschickten Arzneimittelpakete auf Einhaltung aller Temperaturvorschriften zu kontrollieren. Dagegen wird die Lieferkette vom Pharmazeutischen Großhandel zur Vor-Ort-Apotheke von den Behörden intensiv überwacht.  Würden die Versender in gleicher Weise kontrolliert, wäre das gut für die Sicherheit der Arzneimittel. Es würde zudem endlich zu gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen ausländischem Versandhandel und den Vor-Ort-Apotheken führen. Eine echte Hilfe im Überlebenskampf der Apotheken. Und damit ein Beitrag zur Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung.  Den Staat kostet es keinen Cent.

Auf Bundesgesundheitsministerin Nina Warken warten also herausfordernde Aufgaben.

Fehlt nur noch ein Ruck. Und die Umsetzung.