Lauterbachs letztes Projekt als Gesundheitsminister. Gerade läuft seine „große Krankenhausreform“ an. Wurde eigentlich auch Zeit. Die meisten Krankenhäuser sind in einer miserablen wirtschaftlichen Situation. Im Jahre 2023 haben laut einer Erhebung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) von 1.874 Kliniken mehr als 1.100 Häuser Verluste gemacht. So viele wie nie zuvor. Für das Jahr 2024 rechnen sogar fast 80 % aller Krankenhäuser mit roten Zahlen. Eine untragbare Situation für den Kliniksektor mit seiner fast einen Million Beschäftigten.
Notwendig wäre eine finanzielle Überbrückung für die angeschlagenen Kliniken und eine Reform der Finanzierung für alle Krankenhäuser. Stattdessen wagt die Gesundheitspolitik eine andere Art von „Krankenhausreform“. Keine Beseitigung der dramatischen Finanzprobleme der Kliniken. Aber eine komplizierte Umstrukturierung der gesamten Krankenhauslandschaft. Ausgerechnet jetzt. Während es in der Welt an allen Ecken brennt. Während durch Trumps Politik Lieferketten zu reißen drohen und Kriegsszenarien diskutabler werden. Und während Politik und Experten lebhaft darüber spekulieren, wann und wie Deutschland wieder verteidigungsfähig wird. Dazu gehören auch funktionierende Krankenhäuser.
Kern der „Reform“ ist die Zuweisung von Dutzenden von Leistungs- und Operationsbereichen weg von den meist kleineren Kliniken hin zu den größeren und großen Krankenhäusern. Eine Aufgabe für die Bundesländer. Vordergründig, weil die Qualität in den größeren Häusern mit höheren Fallzahlen besser sei. Eigentlich aber erhofft man sich dort schwarze Zahlen. Weil kein Geld für eine solide Finanzierung aller bestehenden Krankenhäuser da ist. Abgesehen davon – das ewige Missverständnis. Mit zunehmender Größe steigen auch Unübersichtlichkeit und Komplexität der Strukturen. Die fressen eventuelle Kostenvorteile wieder auf. Im Übrigen – bei Konzentration von Operationen auf weniger Behandlungspunkte sind längere Wartezeiten nicht ausgeschlossen. Kritisch für Bereiche, in denen Leben und Überleben von der Schnelligkeit eines OP-Termins abhängt. Rationierung durch die Hintertür? Das kann nicht im Sinne der Patienten sein.
Und was passiert mit den kleineren Krankenhäusern? Sie können nur noch begrenzt Operationen und Therapien anbieten. In Nordrhein-Westfalen behalten in bestimmten Bereichen zum Teil weniger als die Hälfte der Kliniken ihre bisherigen Leistungsangebote. Die leer ausgehenden Häuser müssen ihre Fachabteilungen schließen. Wenn es passt, bekommen sie dann eine „Vorhaltepauschale". Geld fürs „da sein“. Damit die Klinikversorgung auf dem Lande nicht noch mehr ausgedünnt wird. Mit der Vorhaltepauschale sollen die Häuser überleben. Doch was sie brauchen, sind akute Finanzhilfen. Bis zum Empfang einer Vorsorgepauschale wird manches Krankenhaus schon geschlossen sein. Das ist nicht unerwünscht.
So wird der Sinn der Reform sichtbar. Letzten Endes geht es um eine geplante Verknappung des Angebots an Krankenhäusern, Betten und patientennahen Operationsmöglichkeiten. Hauptsächlich aus Kostengründen. Mit längeren Wegen für Notdienste, Klinikpersonal, Patienten und Angehörige. Wie viele Pflegekräfte werden dem Gesundheitswesen resigniert den Rücken kehren? Wer hilft uns, bei der nächsten Pandemie noch ein freies Bett zu finden? Und wie steht es mit Deutschlands Aufbruch in Aufrüstung und Verteidigungsfähigkeit? „Bundeswehr hat für Krieg nicht genügend Kliniken“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits.
Ist da das Ziel der Reform – „weniger Krankenhäuser“ – beruhigend? In vermeintlich sicheren Zeiten baute man die Bundeswehr ab. Der Wehrdienst wurde ausgesetzt. Die Kasernen wurden zu Mietwohnungen. Die Grundstücke zu Bauland. Und die nicht mehr modernisierten Waffen zu Schrott. Jetzt kostet es Unmengen Geld, alles wieder neu aufzubauen. Wird es im Falle der abgespeckten, ja, geschlossenen Krankenhäuser bald genauso gehen? Selbst die Kliniken, die durch diese Art von Reform nur als Pflegeheime überleben, lassen sich nicht mehr reaktivieren.
Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD auf einige Veränderungen am ürsprünglichen Lauterbach-Konzept geeinigt. Gestoppt haben sie diese tiefgreifende Veränderung der Krankenhauslandschaft nicht.
„Die größte Gesundheitsreform seit Jahrzehnten“. Sagt Lauterbach.
Stimmt. Aber wer hilft den Kliniken in ihrer finanziellen Not?