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Krankenkassen – kranke Kassen?

Das deutsche Gesundheitswesen ist krank. Es geht ihm finanziell miserabel. Zwar haben wir immer noch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Doch es ist Qualität auf Pump. Wie in vielen anderen Bereichen des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Lebens. Da hilft es auch nicht, wenn die Politik Schuldenberge in „Sondervermögen“ umbenennt. Das ist Hochstapelei. Und verdeckt die dramatischen Defizite. Mittendrin – das Gesundheitswesen.

Exemplarisch geradezu der Krankenhausbereich. Fast 90 % der Kliniken in Bayern rechnen 2023 mit einem Defizit – so die Bayerische Krankenhausgesellschaft.  Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt. Auf 9 Milliarden Euro sei das Gesamtdefizit aller Kliniken bereits angewachsen. Hilfe soll eine große Krankenhausreform bringen. Doch diese Art von „Hilfe“ wird das Aus für viele kleinere Kliniken bedeuten. „Alternativlos“ wird man das sicher nennen. Ein Wort mit schlechtem Beigeschmack. Zu viel war „alternativlos“, was sich später als Riesenfehler entpuppte. 

Um schnell an Geld zu kommen, hat Gesundheitsminister Lauterbach  jedenfalls ein „Sparpaket“ geschnürt. So nennt man gemäß jahrzehntelanger Tradition das Greifen in fremde Taschen. In die der Pharmaindustrie. In die der Ärzte. Auch in die der hart gebeutelten Krankenhäuser. Selbst die Apotheken sollen bluten für das Sparpaket. Obwohl schon 3.500 im letzten Jahrzehnt schließen mussten. Dennoch sollen die Apotheken in den nächsten zwei Jahren 240 Millionen Euro aufbringen. Enteignung nach Art des Ministeriums – wie bei allen anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen auch. So als hätten sich alle unrechtmäßig die Taschen vollgestopft, die man jetzt wieder leeren müsse. 

Alle Leistungserbringer? Nein – vor dem Minister sind nicht alle „Player“ im Gesundheitswesen gleich. Die Krankenkassen kommen in Lauterbachs Sparpaket nur am Rande vor. Sicher – die Kassen sind still geworden. Das war früher anders. Da konnten sie nicht laut genug trommeln für ausländische Arzneiversandhandelskonzerne. Und gegen die Apotheken. Doch inzwischen ist deutlich geworden, dass es ein großer Fehler war, die Krankenkassen in den letzten zwanzig  Jahren einfach schalten und walten zu lassen. Damals hatte ihnen eine sparwütige Gesundheitsministerin alle Freiheiten im Arzneimitteleinkauf spendiert. Und die haben sie gegenüber den Arzneimittelherstellern genutzt. Legal, aber rücksichtslos. Ohne Gespür für die Gefahren des brutalen Preisdrückens – Schließung, Rückzug und Abwanderung der Produktion in weit entfernte Regionen der Welt. Von da kommt jetzt bei wichtigen Arzneimitteln nichts zurück. Oder zu wenig.

Ein klassisches Beispiel für eine Gesundheitspolitik ohne Augenmaß. Deutschland war einst die „Apotheke der Welt“. Beispielhaft in der Entwicklung von Medikamenten, führend in der Produktion, Vorbild für viele Staaten in der Preisfestsetzung für Arzneimittel. Das war einmal. Aus dem König ist ein Bettler geworden, der für seine Kinder händeringend in der ganzen Welt nach Fiebersäften sucht. Und für seine Patienten nach Antibiotika, Blutdrucksenkern, Schmerzmitteln, Insulinen, Asthmasprays und Krebsmedikamenten. 

Fühlen sich die Krankenkassen schuldig an diesem Desaster? Es sieht nicht danach aus. Sie machen „business as usual“. Nur leiser. Jede der 96 Krankenkassen mit eigenem Vorstand, eigener Verwaltung, eigenen Einkaufsabteilungen, eigenen Rabattverträgen. Auf rund 12 Milliarden Euro (!) summieren sich die Verwaltungskosten der Kassen. Pro Jahr! Welch eine gigantische Verschwendung von Versichertengeldern! 96 Krankenkassen? Wie viele – oder wie wenige – werden denn wirklich gebraucht?

Und wo anfangen mit dem Sparen? 240 Millionen Euro sollen die Apotheken trotz größter Schwierigkeiten im Rahmen des Sparpakets aufbringen. Genau so viel, wie die Krankenkassen in drei Jahren mal eben für Werbung ausgeben. Denn laut einer Studie des Marketinginstituts „research tools“ betreiben viele von ihnen Imagewerbung. Im Fernsehen, im Internet, im Radio, in Zeitschriften. Was soll das?  Etwa um mit dem Geld der Versicherten Versicherte bei anderen Kassen abzuwerben? Ein teurer und überflüssiger Wettbewerb! Und das, während dem Gesundheitswesen das Wasser bis zum Hals steht. Ein Werbeverbot –  schon wäre die Summe beisammen, die die Apotheken aufbringen sollen. Und keinem Patienten tut es weh.

Höchste Zeit für eine Krankenkassenreform.