Binh Minh Vo und Sandra Jovanovic sind Auszubildende im Essener Betrieb und gehörlos. Wir haben uns mit ihnen und einem Gebärdendolmetscher zum Interview getroffen, um mehr über ihren Berufsalltag zu erfahren.
Sie sind beide in Ihrem zweiten Ausbildungsjahr. Wie gefällt Ihnen die Ausbildung?
Bin Minh Vo: Ich mache eine Ausbildung zur Fachkraft Lagerlogistik und es macht viel Spaß. Die Ausbildung war die richtige Entscheidung, denn ich kann gut organisieren und auch die Medikamentenrecherche finde ich gut. Zuvor hatte ich bei NOWEDA und in einer Apotheke ein Praktikum gemacht und dabei gemerkt, dass die Arbeit in der Apotheke nichts für mich ist.
Sandra Jovanovic: Ich mache eine Ausbildung zur Fachlageristin und habe zuvor auch ein Praktikum in der Apotheke gemacht. In der Apotheke hat mich vor allem das Lager interessiert und deshalb habe ich mich auch bei der NOWEDA beworben. Es gefällt mir gut.
Sie sind beide gehörlos. Wie war für Sie der Start?
Binh Minh Vo: Am Anfang war es schon sehr schwierig für mich. Die Gebärdensprache ist meine Muttersprache und die Kommunikation mit meinen hörenden Kollegen hat nicht immer gut funktioniert.
Sandra Jovanovic: Ich habe viele Dinge überhaupt nicht mitbekommen. Zum Beispiel die Durchsagen oder die Hupe des Gabelstaplers. Jetzt benutzen die Fahrer eine Lichthupe, wenn sie hinter mir fahren. Das ist sehr hilfreich. Und bei Durchsagen wissen eigentlich alle, dass sie mich informieren müssen.
Gibt es auch Situationen, die nach wie vor schwierig sind?
Sandra Jovanovic: Wenn zum Beispiel Regale leer sind und aufgefüllt werden müssen, kann ich das nicht einfach über das Telefon melden. Ich muss immer jemanden bitten, das für mich zu machen. Das ist natürlich schade, weil ich dadurch nicht selbstständig arbeiten kann und immer auf eine andere Person angewiesen bin.
Wie ist der Austausch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Bin Minh Vo: Es gibt noch zwei hörgeschädigte Kollegen und mit ihnen ist der Austausch natürlich ganz einfach. Deshalb unterhalten wir uns mit ihnen am meisten. Es gibt auch ein paar Kollegen, die an der Gebärdensprache interessiert sind und sich viel Mühe geben. Bei Schulungen, Versammlungen oder wie jetzt für diese Interview organisiert unser Ausbildungsleiter Herr Gotzeina einen Gebärdendolmetscher.
Vielleicht wissen auch einige nicht, wie sie sich verhalten sollen…
Bin Minh Vo: Ja, das ist bestimmt so. Es gibt hörende Menschen, die erstarren, wenn sie auf Gehörlose treffen. Viele haben Angst, Fehler zu machen. Dabei kann man schon allein mit Mimik viel erreichen.
Sandra Jovanovic: Viele trauen sich nicht, und probieren dann erst gar nicht mit uns zu kommunizieren. Aber diese Furcht ist völlig unbegründet. Also bitte: seid mutig und versucht es einfach. Aller Anfang ist schwer.
Was wünschen Sie sich ganz grundsätzlich im täglichen Miteinander? Nicht nur im Arbeitsalltag.
Binh Minh Vo: Für uns Gehörlöse ist es diskriminierend, wenn wir als „taubstumm“ bezeichnet werden. Denn wir sind ja nicht stumm. Wir haben eine Sprache, mit der wir kommunizieren und uns äußern. Die Gebärdensprache ist unsere Muttersprache. Die Begriffe taub oder gehörlos sind besser.
Sandra Jovanovic: Und wir können ja auch die Lautsprache sprechen, aber eben nicht gut.
Gibt es noch einen Bereich, in dem Sie aufklären möchten?
Binh Minh Vo: Viele kennen den Unterschied zwischen einen Cochlea-Implantat und einem Hörgerät nicht. Während ein Hörgerät den Schall verstärkt, stimuliert ein Cochlea-Implantat den Hörnerv. Aber es ist nicht so, dass man durch das Implantat automatisch hören kann. Ein Hörgerät verstärkt das Restgehör.