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Lauterbach auf dem Kriegspfad

Das deutsche Gesundheitssystem ist sträflich unterfinanziert. Sterbende Krankenhäuser, geschlossene Hausarztpraxen, tausende Apothekenschließungen. Besonders auf dem Lande. Das geht schon zwei Jahrzehnten so: Eine kritische Infrastruktur, die von der Gesundheitspolitik bewusst vor die Wand gefahren wird. Mit der Begründung – zu viele Krankenhausbetten, zu viele Arztbesuche, zu viele Apotheken. Immer im Vergleich zu den ärmeren Ländern der EU. Also zurück in die Steinzeit der Patientenversorgung? Dümmer geht immer.

Der Bürger erwartet, dass sich das Gesundheitssystem in guter Verfassung befindet. Dafür braucht ein Gesundheitsminister Geld. In seinem „Gesundheitsfonds“ sammeln sich die Beiträge aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Plus einem Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro pro Jahr. Braucht das Gesundheitssystem mehr Geld – zum Beispiel für dringend notwendige Strukturreformen – geht das nur aus Steuermitteln. Doch Lauterbach ließ zu, dass sein Etat in diesem Jahr um 8 Milliarden Euro gekürzt wurde. Zu Lasten des Gesundheitswesens. Er will es stattdessen mit „Reformen“ versuchen.

Viele Krankenhäuser schreiben rote Zahlen. Nötig wäre eine Reform der Finanzierung. Doch die „Reform“, die Lauterbach hier anstrebt, hat ein anderes Ziel. Kleinere Krankenhäuser sollen aus dem Markt verschwinden. Oder nur noch Bagatellen behandeln dürfen. Die lukrativeren Fälle sollen in die großen Kliniken wandern. Qualitätssteigerung sei das, sagt Lauterbach. Dabei wird es das Todesurteil für viele kleinere Kliniken sein. Die Bundesländer befürchten zu Recht eine schlechtere Versorgung der Patienten auf dem Lande. Dieses Problem redet Lauterbach klein. Lieber erst Krankenhäuser schließen. Dann über klinische Behandlung im Notfall, im Krisenfall oder gar im Kriegsfall nachdenken. Umgekehrt wäre richtig. 
 
Seit Jahren gibt es auch massive Proteste der Ärzte. Mit Praxisschließungen, Demonstrationen und Aufforderungen an den Minister, endlich zu handeln. Angekündigt hat er, dass er die Budgetdeckelung bei den Hausärzten aufheben will.  Hausärzte sollen so nicht mehr – wie bisher – nach Erreichen des Budgets Patienten umsonst behandeln müssen. Ein richtiger Schritt. Für die Fachärzte fehlt er noch. Sie protestieren weiter. Und drohen mit Leistungseinschränkungen, Aufnahmestopps, „Budgetferien“ und früherem Renteneintritt. So Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des Spitzenverbands der Fachärzte, in einem Interview mit dem Branchenmagazin „apotheke adhoc“. Eine Kampfansage.

Die dramatischsten Umwälzungen wird es nach dem Willen Lauterbachs allerdings für die Apotheken geben. Auch sie protestieren seit Jahren. Gegen das Apothekensterben und für eine Erhöhung der staatlich festgesetzten Spannen. Ohne Erfolg. Trotz viertausend  Apothekenschließungen. In Kürze werden es sechstausend sein. Lauterbach kennt die Zahlen. Und er weiß um die zunehmend prekäre Situation in der Arzneimittelversorgung. Insbesondere draußen auf dem Lande. Aber wie im Fall der defizitären Kliniken weiß er sich nur zu helfen, indem er bewährte Strukturen zerstört, statt sie zu sichern. 

Sein Plan, das Land weit draußen auch weiterhin mit Arzneimitteln zu versorgen, legt die Axt an die Wurzel des Apothekenwesens. Lauterbach schweben „Apotheken light“ vor. Zwar noch in Apothekerhand, aber ohne Apotheker. Der soll bei Bedarf online zugeschaltet werden. Die Medikamente abgeben soll eine PTA, eine pharmazeutisch-technische Assistentin. Einen Notdienst und ein Labor soll es nicht geben. Ist das die Landapotheke der Zukunft? Ohne das bewährte Prinzip des Apothekers in „seiner“ Apotheke? Der persönlich eine ganz besondere Verantwortung trägt? Der mit seinem Vermögen für Fehler haftet? Der ein Universitätsstudium und sein ganzes pharmazeutisches Wissen in die Versorgung seiner Patienten einbringt? Schon scharren Drogerieketten mit den Hufen.

Mit seiner Kriegsansage an das Gesundheitswesen tritt Lauterbach in die Fußstapfen von Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Ihre Reformen – Einführung von Fallpauschalen in der Kankenhausfinanzierung, Einführung des Arzneimittelversandhandels, Einführung des Rabattkampfes zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern – haben zu den massiven Problemen geführt, die wir heute haben. 

Bringt Lauterbach seine Reformen durch, werden die alten Probleme nicht gelöst. Aber neue hinzukommen. SPD-Minister im Gesundheitsressort können es einfach nicht.