Kontakt

„Noch immer leben und arbeiten wir alle im Ausnahmezustand“

Seit Juli 2021 ist im Südwesten Deutschlands nichts mehr wie es vorher war. Mit mehr als 150 Litern Regen pro Quadratmeter verwüstete eine Sturzflut ungekannten Ausmaßes ganze Landstriche. Besonders Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren betroffen. 180 Menschen verloren ihr Leben, unzählige ihr Hab und Gut. Menschen, die sich in jahrelanger harter Arbeit eine Existenz aufgebaut hatten, standen innerhalb weniger Stunden vor schlammbedeckten Trümmern.

Auch Apotheken waren betroffen. Mit finanziellen Mitteln in einer Gesamthöhe von über 85.000 Euro hat die NOWEDA-Stiftung Apotheken im Flutgebiet geholfen: Zehn von ihnen haben eine Wiederaufbauhilfe erhalten. Viele weitere Apotheken erhielten über den NOWEDA-Apothekenservice kostenlos Büromaterial, Berufsbekleidung etc.

Eine davon ist die Faust Apotheke von Joost Ney im nordrheinwestfälischen Eschweiler. Auch hier hatte die Flut in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli gewütet. Seitdem befinden sich Ney und sein Team im Ausnahmezustand. Dennoch hat er sich die Zeit für ein Interview mit uns genommen:

 

Herr Ney, inwieweit war Ihre Apotheke von der Flutkatastrophe betroffen?

Die Zerstörung der Apotheke erfolgte indirekt. Das heißt, die Offizin war offensichtlich zunächst gar nicht  betroffen. Allerdings stand der Keller komplett unter Wasser– rund 2,30 m hoch. Gott sei Dank haben wir dort nichts von Wert aufbewahrt, sodass sich der Schaden auf den ersten Blick in Grenzen hielt. Mein Team und ich dachten deshalb zunächst, dass wir Glück im Unglück gehabt hätten: Der Keller wird leergepumpt – fertig. Doch dann kam der Gutachter und teilte uns mit, dass das komplette Gebäude so bald wie möglich geräumt werden müsse. Denn durch das Wasser im Keller stieg Feuchtigkeit die Wände hoch. Und wenn ich „Wasser“ sage, dann meine ich eine stinkende Mischung aus Regen- bzw. Flusswasser, Schlamm, Fäkalien, Öl und anderen Chemikalien. Daraufhin sind wir ausgezogen. Kurzfristig und unkompliziert haben wir von der Firma Wiemer Container mit Apotheken-Einrichtung zur Verfügung gestellt bekommen. Zusätzlich haben wir noch eine Wohnung angemietet, in der unter anderem das Back-Office untergebracht ist. Und unter diesen Umständen betreiben wir die Apotheke nun seit über einem Jahr.

Das kann kein Dauerzustand sein. Wie geht es mit Ihrer Apotheke weiter?    

Nein, so kann es natürlich nicht bleiben. In unser altes Ladenlokal in der Eschweiler Innenstadt werden wir auf jeden Fall nicht zurückkehren. Leider hat sich aus der Situation ein Konflikt mit dem Vermieter entwickelt, sodass sich unsere Wege nun trennen werden. Stattdessen beziehen wir neue, größere Räumlichkeiten in der Innenstadt unweit des alten Standortes. Der Umzug ist für das Frühjahr 2023 geplant.

Das hört sich alles nach sehr viel Arbeitsaufwand an. Machen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das mit?

Ja, Gott sei Dank, und ich bin meinem Team wirklich sehr dankbar dafür! Die Räumung der Apotheke, das Aus- und Einräumen, die Apotheke im Container und bald der nächste Umzug: Das alles haben sie bisher sehr tapfer mitgemacht. Die Stärke meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigte sich aber bereits direkt nach der Katastrophe, als wir hier die Notversorgung begonnen haben. In der ersten Woche hatten wir in Eschweiler weder Strom-, noch Internet-, noch Mobilfunkanbindung. Durch die ausgefallene Kühlung mussten wir Medikamente im Wert von 20.000 bis 25.000 Euro vernichten. Bestellungen waren natürlich auch nicht möglich. Aber selbst wenn wir hätten bestellen können, wie hätte uns das NOWEDA-Fahrzeug durch die verwüstete Infrastruktur erreichen sollen? Und so haben mein Team und ich improvisiert und die Patientinnen und Patienten so gut versorgt, wie es eben ging.

Können Sie sagen, wie groß Ihr entstandener Schaden war?

So genau kann ich das gar nicht sagen. Den akuten Schaden durch die Flut würde ich mit rund 150.000 Euro beziffern. Hinzu kommt der Umzug ins neue Ladenlokal, das natürlich auch mit den technischen Anlagen, die eine moderne Apotheke nun einmal braucht, neu ausgestattet werden muss. Das kommt finanziell einer Neugründung gleich.

Wofür konnten Sie die Spenden der NOWEDA-Stiftung einsetzten?

Die schnelle finanzielle Hilfe war für uns total wichtig und ich bin sehr dankbar dafür! Denn bei allen anfallenden Rechnungen mussten wir zunächst in Vorkasse gehen, da die Schadensregulierung durch die Versicherungen sehr lange dauert. Generell zieht sich alles sehr lange hin. Die Flut war im Sommer 2021 und noch immer leben und arbeiten wir alle im Ausnahmezustand. 

Vielen Dank, dass Sie sich trotzdem die Zeit für unser Interview genommen haben!